100 Jahre DAAD: Interview mit DAAD-Alumni/Alumnae- Prof. Song Quancheng
Song Quancheng ist Professor und Doktorvater der Universität Shandong. Gleichzeitig ist er auch der Direktor des Instituts für Migrationsforschung der Uni Shandong. Ihm wurde der Titel Shandong University Outstanding Talent, Outstanding Young and Middle-aged Scholars of Shandong University, High-level Talents of Hainan Free Trade Port vergeben. Er ist Mitglied des Beratenden Ausschusses für Rechtspolitik der Staatlichen Migrationsbehörde Chinas, Mitglied des Lenkungsausschusses für die Lehre der Soziologie an Hochschulen und Universitäten des chinesischen Bildungsministeriums, geschäftsführender Direktor der Chinesischen Gesellschaft für Weltethnien, geschäftsführender Direktor der Chinesischen Gesellschaft für Geschichte der Übersee-Chinesen, geschäftsführender Direktor der Chinesischen Gesellschaft für Bevölkerung, geschäftsführender Direktor der Sektion für Politikwissenschaft sowie die deutsche Zweigstelle der Europäischen Gesellschaft Chinas, Geschäftsführender Direktor und stellvertretender Direktor des akademischen Ausschusses des Fachausschusses für Migrationssoziologie der Chinesischen Gesellschaft für Soziologie und stellvertretender Vorsitzender des Fachausschusses für Migrantensozialarbeit der Chinesischen Vereinigung für Sozialarbeitserziehung.
Er hat Projekte der Nationalen Stiftung für Sozialwissenschaften, wichtige Projekte der Schlüsselforschungsbasis für Geistes- und Sozialwissenschaften des Bildungsministeriums, Migrationsforschungsprojekte der Nationalen Kommission für ethnische Angelegenheiten, Migrationsforschungsprojekte des Ministeriums für Zivilangelegenheiten, Migrationsforschungsprojekte der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank sowie wichtige Forschungsprojekte der sozialwissenschaftlichen Planung der Provinz Shandong durchgeführt. Überdies ist er Autor zahlreicher Monografien wie zum Beispiel „European Migration Research“, „European Refugee Crisis Research“, „European Muslim Migration Research“ oder „EU Refugee Crisis, Migration Problems and its Governance Research“. Darüber hinaus hat er mehr als 120 Artikel in Zeitschriften wie „China Population Science“, „European Studies“ oder „German Studies“ veröffentlicht.

Prof. Song Quancheng hielt einen Vortrag auf dem 6. Deutsch-Chinesischen Forum „ Chinesisch-deutsche Beziehungen in der neuen Ära“© DAAD
Prof. Song, In welchem Jahr und wie haben Sie den DAAD kennen gelernt? Wie hat das Motto des DAAD– Wandel durch Austausch – Ihren eigenen Studienweg geprägt?
a) „Akademische Verbindungen mit dem DAAD“
Im Jahr 2000 durfte ich nach Österreich in die Karl-Franzens-Universität Graz, wo ich mich im Rahmen des Kooperativen Forschungsprogramms der EU-CHINA Hochschulbildung auf das Europäische Parlament und die Integration der europäischen Politik konzentrierte. Aber ich selbst wollte lieber über europäische Migrationsfragen, insbesondere über die deutsche Migrationsfrage forschen, da Deutschland eine entscheidende Rolle in der EU spielt und der Motor für die europäische Integration ist. Der Vizerektor der Universität, Prof. Helmut Konrad, schlug mir daher vor, mich an den DAAD zu wenden, um meinen Traum von einem akademischen Austausch und einem Wechsel in der akademischen Forschung in Deutschland zu verwirklichen. 2002 bewarb ich mich erfolgreich für das DAAD-Programm zum Thema Migration und europäische Integration in Deutschland. In der Folge konnte ich meine Forschung am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien an der Universität Osnabrück aufnehmen wo ich das DAAD-Motto „Wandel durch Austausch“ umgesetzt habe. In den Jahren 2004, 2007 und 2009 bewarb ich mich dreimal für das DAAD-Forschungsprogramm am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo ich meine Forschungen zur Migration in Europa und zur europäischen Integration weiter vertiefen und meine Beziehung zum DAAD stärken dürfte.
b) Die praktischen Auswirkungen der Kernkonzepte des DAAD
① Der DAAD hat den Wandel meiner akademischen Forschung realisiert: von der Europapolitik zur internationalen Migrationsforschung.
Im Jahr 2002 begann ich unter der Leitung von Prof. Klaus J. Bade am IMIS der Universität Osnabrück eine Fachforschung im Bereich der akademischen Forschung zum historischen Prozess der Migration in Deutschland. Dies hat mir ermöglicht, mit der akademischen Forschung zur illegalen Migration in Deutschland und zur Flüchtlingsproblematik in Berührung zu kommen sowie an der praktischen Überprüfung einiger Flüchtlingsbewerber aus China im Flüchtlingszentrum in Bramsche-Hesepe teilzunehmen.

Prof. Song mit Prof. Klaus J. Bade in Osnabrück© DAAD

Prof. Song half bei der Erstaufnahmeeinrichtung in Bramsche-Hesepe, 2002© DAAD
In den Jahren 2004, 2007 und 2009 habe ich in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Diethrich Thränhardt von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster die Auswirkungen der deutschen Migrationsfrage auf die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und religiösen Werte und die Parteipolitik in Deutschland im Sinne der Politikwissenschaft und Soziologie systematisch untersucht. Die multidisziplinäre akademische Forschung zur deutschen Migrationsfrage hat meine akademische Forschung vertieft sowie systematisiert und mir einen umfassenderen und besseren Eindruck von der deutschen Migrationsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, der Migrationsproblematik und Migrationskultur sowie der Migrationspolitik vermittelt.
② DAAD hilft bei der Vernetzung der akademischen Forschung zur internationalen Migration
Die Struktur des Forschungsteams in dem Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) an der Universität Osnabrück und dem Institut für Politikwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in Deutschland hat mich dazu inspiriert, 2005 in China ein spezialisiertes universitäres Forschungsinstitut zu gründen – The Institute of Migration Studies of Shandong University, auch Institute for International Migration genannt. Es wurde tatsächlich im Jahr 2005 offiziell gegründet, und ich wurde Direktor des Instituts. Gegenwärtig besitzt das Institut (http://www.ims.sdu.edu.cn) ein professionelles Forschungsteam für internationale Migration, dem Professoren, Assistenzprofessoren, junge Lehrkräfte, Doktoranden und Postdoktoranden angehören.
③ DAAD fördert internationale Zusammenarbeit

Prof. Song beim China-EU Human Rights and Justice Dialogue als Moderator des zweiten thematischen Seminars, Irland, 2012© DAAD

Prof. Song bei einem von der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten Seminar zum Thema Internationale Migration, Italien, 2016© DAAD

Prof. Song auf dem von der Hanns-Seidel-Stiftung organisierten akademischen Austausch-Forum in Peking, 2018© DAAD

Prof. Ma Li von der Université du Littoral, Frankreich, besuchte das Migrationsinstitut der Universität Shandong zum zweiten Mal, 2024© DAAD
c) Akademische Horizonte erweitern und fruchtbare Forschungsergebnisse erzielen
Unter dem Leitmotiv des DAAD „Wandel durch Austausch“ habe ich Forschungen zu der deutschen und französischen Einwanderung, der britischen und europäischen Einwanderung, dem europäischen Terrorismus, dem europäischen Populismus sowie der europäischen rechtsextremen Parteien durchgeführt. Dadurch konnte ich meinen akademischen Horizont erweitern und meine Untersuchung von reinen Einwanderungsfragen auf die Untersuchung breitere europäische Problemkomplexe im Zusammenhang mit der Einwanderung ausweitet. Seit 2002 habe ich mehr als 60 Zeitschriftenartikel zum Thema Migration in chinesischen Kernzeitschriften (CSSCI) veröffentlicht, was die akademische Forschung zur internationalen Migration in der chinesischen Wissenschaft erheblich vorangebracht hat. Ich habe fünf Monografien und Forschungsberichte veröffentlicht, darunter „Research on Migration in Europe“, „Research on Refugee Crisis in Europe“, „Research on Muslim Migration in Europe “, „Research on Refugee Crisis, Migration and its Governance in the EU“ und „Research on the Theory and Practice of European Integration “.
d) Akademischer Dienst und Auftrag
Das Institut für Migrationsforschung der Universität Shandong ist das erste Institut für internationale Migrationsforschung der chinesischen akademischen Welt. Es hat sich in den letzten 20 Jahren kontinuierlich für die Entwicklung der internationalen Migrationsforschung eingesetzt und gleichzeitig dem internationalen Migrationsmanagement in China gedient. Aufgrund der herausragenden Leistungen in der internationalen Migrationsforschung wurde ich zum Mitglied des Lenkungsausschusses für die Lehre der Soziologie an Hochschulen und Universitäten des Bildungsministeriums, zum geschäftsführenden Direktor des Fachausschusses für Migrationssoziologie der Chinese Sociological Association und zum stellvertretenden Vorsitzenden des Fachausschusses für Migrantensozialarbeit der Chinese Association for Social Work Education gewählt.
Auch in Zukunft werde ich mich auf dem Gebiet der internationalen Migrationsforschung engagieren und zum Schutz der sozialen Rechte und Interessen ausländischer Einwanderer in China und grenzüberschreitende Migranten aus aller Welt beitragen.
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Können Sie eine interessante Anekdote oder schöne Erinnerungen aus Ihrer Zeit mit dem DAAD mit uns teilen oder Erfahrungen benennen, die Ihnen heute noch von Nutzen sind?
Im Jahr 2002, als ich vom DAAD für eine internationale Forschungszusammenarbeit an der Universität Osnabrück in Deutschland gefördert wurde, nahm ich an einer vom DAAD organisierten Kulturreise durch Bremen teil, die mir einen tiefen und wunderbaren Eindruck von der langen Geschichte Bremens, der reichen Kultur, der individualistischen Architektur und den leidenschaftlichen Bremern vermittelte. Dabei wurde mir auch die wahre Bedeutung des DAAD-Mottos „Wandel durch Austausch“ bewusst.
In den Jahren 2002, 2024, 2007 und 2009 habe ich mich insgesamt viermal beim DAAD beworben – jedes Mal mit Erfolg! Für mich war der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bewerbung die folgenden zwei Faktoren: erstens eine gute Beherrschung der deutschen Sprache. Zweitens muss ein wissenschaftlicher Forschungsplan entwickelt werden, der mit den Forschungsinteressen des deutschen Kooperationsprofessors voll übereinstimmt und der beiden Seiten helfen wird, unsere akademische Zusammenarbeit fortzusetzen. An dieser Stelle möchte ich mich beim DAAD sowie bei Prof. Klaus J. Bade und Prof. Dietrich Thränhardt für die angenehme wissenschaftliche Zusammenarbeit herzlich bedanken!

Prof. Song auf einer DAAD-Kultur-Reise nach Bremen, 2002© DAAD
Welche Ratschläge würden Sie aktuellen DAAD-Stipendiaten geben, um das Beste aus ihrer Zeit im Ausland zu machen?
Zuallererst kann man sich mit der deutschen Gesellschaft, Kultur und dem Leben in Deutschland vertraut machen und sich daran anpassen. Schon vor der Ankunft in Deutschland sollte man die deutsche Gesellschaft, die Politik und das tägliche Leben verstehen, damit man sich nachher schnell an die hiesige Gesellschaft und Kultur anpassen können. Zweitens kann man einen vollständigen Arbeitsplan für die Recherche erstellen. Die Arbeitszeit in Deutschland ist sehr kostbar, und ein gut durchdachter und vollständiger Forschungsplan ist entscheidend für die Tiefe der akademischen Forschung und die Verbesserung des Forschungsniveaus. Schließlich sollte man viel mit seinen betreuenden Professoren und deutschen Kollegen in Deutschland kommunizieren.

Prof. Song mit seinen deutschen Kollegen und Kolleginnen zwischen 2007 und 2009© DAAD
Was für eine Rolle hat die DAAD-Förderung für Sie in Ihrem Forschungsfeld gespielt? Können Sie uns dies anhand von ein paar Beispielen konkret erläutern?
Die kontinuierliche Unterstützung durch den DAAD hat bei mir einen großen Wandel im akademischen Forschungsgebiet bewirkt: von der Europapolitik habe ich in die Migrationsstudien gewechselt. Seit meiner ersten DAAD-Förderung im Jahr 2002 bin ich danach dreimal in den Jahren 2004, 2007 und 2009 nach Deutschland gereist, um meine Forschungen zu Migrationsthemen zu vertiefen, wobei ich mich jedes Mal auf die Unterstützung des DAAD verlassenkonnte, um Forschungskooperationen und den Austausch mit meinen deutschen Kollegen zu realisieren.
a) die Unterstützung des DAAD als Chance nutzen, um die internationale Migrationsforschung in der chinesischen Akademiewelt zu fördern.
Dank der Unterstützung des DAAD für meine Migrationsforschung habe ich das China International Migration Research Network (http://www.ims.sdu.edu.cn) aufgebaut. Universitätsprofessoren und Gleichgesinnte, die in der Migrationsforschung an Chinas Hochschulen tätig sind, werden sich zu einer Migrationsforschungsgemeinschaft zusammenschließen, um gemeinsam die akademische Forschung zur internationalen Migration zu fördern.
b) der Formalisierung, Legalisierung und Internationalisierung des internationalen Migrationsmanagements in China zu dienen.
Jahrelang habe ich die Legalisierungsaufbau des chinesischen Migrationsmanagements verfolgt und war an Diskussionen und der Fachkräfte-Unterstützung für relevante Verordnungen wie das Einreise- und Ausreiseverwaltungsgesetz der Volksrepublik China, die Verordnungen der Volksrepublik China über den Status von Flüchtlingen und die Maßnahmen der Volksrepublik China zur Umsetzung der vorübergehenden Neuansiedlung ausländischer Flüchtlinge in China und deren Sozialhilfe usw. beteiligt. 2016 veröffentlichte ich einen Artikel, in dem ich vorschlug, dass China die erfolgreichen Erfahrungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nutzen sollte. Im Jahr 2019 wurde National Immigration Administration (NIA) offiziell gegründet, was bedeutet, dass die Verwaltung der ausländischen Einwanderung in China den Pfad der Formalisierung, Legalisierung und Internationalisierung beschritten hat, wobei ich auch zum Mitglied des Beratenden Expertenausschusses für Rechtspolitik von NIA ernannt wurde.

Prof. Song hielt einen Vortrag auf dem 4. Migration Law Forum© DAAD

Hr. Xu Ganlu, Direktor des NITs, überreichte Prof. Song Quancheng die offizielle Experten-Urkunde, 2021.© DAAD
Was sind die ersten Eindrücke, die Sie nach der Lektüre von der „DAAD-Strategie 2030“ gewonnen haben?
Die Aussage des DAAD, „Wir suchen gemeinsame Lösungen für globale Herausforderungen“ hat mich sehr beeindruckt, weil sie die internationale Perspektive beim Bekämpfen gegen die Herausforderungen der Globalisierung sowie die hohe Gesinnung des DAAD beim Streben nach dem Wohlergehen der gesamten Menschheit deutlich macht.
Was wünschen Sie dem 100-Jährigen DAAD für die kommende Zukunft?
Wenn Sie ein Wort nennen könnten, das Sie mit dem DAAD assoziieren, welches wäre das?
„Wandel“
Das DAAD-Motto „Wandel durch Austausch“ wird durch die gleichberechtigte Zusammenarbeit und Unterstützung der Forschungsinstitute und Wissenschaftler aus vielen Ländern verwirklicht und dadurch auch die Vision des DAAD gezeigt: „Durch den internationalen akademischen Austausch befördern wir die persönliche Entwicklung und Qualifizierung von Menschen und gestalten gesellschaftliche und globale Transformationsprozesse für eine bessere Zukunft auf unserem Planeten “!