100 Jahre DAAD: Interview mit DAAD-Alumni/Alumnae- Prof. Meng Guangwen
DAAD-Alumnus Prof. Meng Guangwen
Prof. Meng Guangwen, promovierter Philosophie-Doktor (Dr. phil.) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, ist Level-2- Professor, Doktorvater und Leiter der geographischen Fachdisziplin an der Geographischen Fakultät sowie am Institut für Europäische Zivilisation der Tianjin Normal University. Er fungiert als Vorsitzender der Geographischen Gesellschaft Tianjin, als ständiges Mitglied des Nationalen Forschungsverbands für Wirtschaftsgeographie und leitet dessen untergeordneten Fachausschuss für Freie Wirtschaftszonen Chinas. Zudem berät er als Experte für Freie Wirtschaftszonen internationale Organisationen wie die UN-Handels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD), die UN-Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO), die Afrikanische Union (AU) und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) und gehört dem Herausgebergremium des Journal of Global Resources an.
Seine Forschung fokussiert sich auf Human- und Wirtschaftsgeographie, die Belt and Road Initiative, Raumplanung und deutsche Geographieforschung. Unter seiner Leitung wurden ein Projekt des Nationalen Sozialwissenschaftlichen Fonds, vier Projekte des Nationalen Naturwissenschaftlichen Fonds und internationale Kooperations- und Austauschprojekte sowie fünfzehn sozialwissenschaftliche und sektorübergreifende Forschungsvorhaben Tianjins abgeschlossen.
Besonders einflussreich sind seine Forschungsergebnisse zu Themen wie den Theorien und Fallstudien zu Freien Wirtschaftszonen, der Entwicklungsöffnung der Tianjin Binhai New Area, ausländischen Industrieparks und Investitionen im BRI-Rahmen sowie zur deutschen Geographie und ländlichen Urbanisierung. Er veröffentlichte über 70 Fachaufsätze in international renommierten Publikationen – darunter UN-Publikationen sowie Zeitschriften aus China, Deutschland, den USA, der Mongolei und Vietnam. Er hat auch ein englisches und ein chinesisches Fachbuch verfasst und wirkte an vier weiteren chinesisch- und englischsprachigen Fachbüchern mit. Seine Auszeichnungen umfassen den ersten Preis für Wissenschaftlich-Technologischen Fortschritt der Stadt Tianjin (Teampreis) sowie den zweiten und dritten Preis für herausragende sozialwissenschaftliche Leistungen, verliehen von der Tianjiner Stadtregierung.
Prof. Meng, In welchem Jahr und wie haben Sie den DAAD kennen gelernt? Wie hat das Motto des DAAD– Wandel durch Austausch – Ihren eigenen Studienweg geprägt?
Im Jahr 2006 kehrte ich nach meinem Studium an der Universität Heidelberg nach China zurück und begann meine Arbeit an der Fakultät für Stadt- und Umweltwissenschaften der Tianjin Normal University. Im Jahr 2007 nahm ich an einer Reihe von Veranstaltungen des DAAD im Rahmen des Projekts „Deutschland und China — Gemeinsam in Bewegung“ teil, darunter an einem Seminar zum Thema „Stadtverwaltung, Stadtentwicklung und wirtschaftliche Dynamik in chinesischen Ballungsräumen“, das von den Universitäten Heidelberg und Tübingen an der Nanjing University organisiert wurde. Bei dieser Veranstaltung lernte ich Herrn Stefan Hase-Bergen (chinesischer Name: Han Beishan) kennen, den damaligen Leiter des DAAD.
Danach nahm ich 2008 an einem vom DAAD an der Sun Yat-sen-Universität in Guangzhou organisierten Seminar zum Thema Urbanes Leben und Lebensqualität in der Moderne für ehemalige Stipendiaten in Deutschland teil. 2009 wurde ich eingeladen, an der vom DAAD an der Peking-Universität organisierten Veranstaltung „Tagung Beirat Germanistik DAAD“, an einem akademischen Seminar des DAAD-Alumni-Vereins in Shenyang zum Thema Stadterneuerung sowie an einer internationalen Konferenz der Sun Yat-sen-Universität zu deutsch-chinesischer Geografieausbildung, -forschung und -anwendung teilzunehmen und entsprechende akademische Vorträge zu halten. 2010 nahm ich an akademischen Veranstaltungen des DAAD in Xiamen, Jinan (Shandong) und während der Expo 2010 in Shanghai teil. 2011 wurde ich zu einer akademischen Konferenz des DAAD an der Universität für Außenwirtschaft und Handel in Peking zum Thema „Regional- und Länderstudien“ eingeladen.

2008 nahm Prof. Meng an einem vom DAAD an der Sun Yat-sen-Universität organisierten Seminar für Alumni und -Alumnae in China teil.© DAAD

Prof. Meng hielt Vortrag an der Tagung Beirat Germanistik DAAD in der Peking Universität© DAAD

Prof. Meng nahm am zweiten internationalen Symposium über höhere geografische Bildung, Forschung und Anwendung in China und Deutschland an der Sun Yat-sen-Universität teil, welches vom DAAD gefördert wurde.© DAAD
Im selben Jahr wurde ich als Gastprofessor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg durch ein DAAD-Stipendium gefördert, um gemeinsam mit deutschen Geografiekollegen die vergleichende Forschung zur Entwicklung der Stadt- und Landplanung sowie der Geografie in China und Deutschland fortzusetzen.

Im Jahr 2011 war Prof. Meng mit Unterstützung des DAAD zu Gast an der Universität Heidelberg.© DAAD
Im Jahr 2012 wurde ich erneut vom DAAD eingeladen und nahm jeweils im Februar und August in Assmannshausen und Köln an dem Kolloquium „Raumordnung und Regionalplanung in Deutschland und China“ und dem „IGC (International Geographical Congress 2012)“ teil. Die Konferenzen kombinierten fachliche Vorträge, intensive Exkursionen, offene Austauschmöglichkeiten und kulturelle Erlebnisse und boten Geografen aus aller Welt eine hochwertige Plattform für den Austausch. Die Teilnehmer konnten nicht nur ihre bestehenden akademischen Kontakte und Kooperationen mit deutschen Geografen pflegen, sondern auch neue Verbindungen mit deutschen und chinesischen KollegInnen herstellen.

Prof. Meng auf Einladung des DAAD am Kolloquium Raumordnung und Regionalplanbung in Deutschland und China (Assmannshausen, 2012)© DAAD

Von links nach rechts: Prof. Meng hielt einen fachlichen Vortrag auf dem IGC Köln im Jahr 2012, Prof. Meng und Prof. Hohnhotz (ehemaliger Leiter des Instituts für Wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern in Tübingen) auf dem IGC, Feldforschung während der Konferenz, Preisverleihung der Internationalen Geographie-Olympiade auf dem IGC, Professor Meng zusammen mit dem Bürgermeister von Köln und der Vorsitzenden des Organisationskomitees der Konferenz© DAAD

Professor Meng besucht das Institut für Geographie der Universität zu Köln (2012)© DAAD
Diese akademischen Austauschaktivitäten haben mir nicht nur die erfolgreiche Bewilligung des „Regionalen und internationalen Kooperations- und Austauschprojekts“ der Nationalen Naturwissenschaftlichen Stiftung sowie die Veröffentlichung einer Reihe von chinesisch-englischen Fachartikeln ermöglicht, sondern auch eine Brückenfunktion für die Forschung und Praktika chinesischer und deutscher KollegInnen in beiden Ländern übernommen. Besonders erwähnenswert ist, dass die Erfahrungen aus dem DAAD-Austausch für meine Forschung zu den „Belt and Road“ (BRI)-Auslandsstandorten und -Investitionen sehr hilfreich waren.
Können Sie eine interessante Anekdote oder schöne Erinnerungen aus Ihrer Zeit mit dem DAAD mit uns teilen oder Erfahrungen benennen, die Ihnen heute noch von Nutzen sind?
Bei der Teilnahme an den Veranstaltungen des DAAD spielen neben den formellen akademischen Aktivitäten auch informelle akademische Austauschevents eine unverzichtbare Rolle, die sogar noch tiefer und umfassender gehen als die formellen Aktivitäten. Ich erinnere mich, dass Herr Hase-Bergen uns während der „Deutsch-Chinesischen Partnerschaft“-Veranstaltung an der Nanjing-Universität abends zu einem vom DAAD eigens eingerichteten Veranstaltungsstand führte, wo wir Bier getrunken und Bratwurst gegessen haben. Die chinesischen und deutschen Wissenschaftler unterhielten sich offen, tauschten sich intensiv aus und haben viel Spaß gehabt. Dies trug zum gegenseitigen Verständnis zwischen den chinesischen und deutschen Wissenschaftlern bei und schuf eine vertrauensvolle Grundlage für eine mögliche akademische Zusammenarbeit.
Tatsächlich beeindrucken die akademischen Austauschveranstaltungen des DAAD nicht nur durch ihre klaren Themen, hervorragenden akademischen Vorträge und sorgfältig ausgearbeiteten Tagesordnungen, sondern auch durch das unvergessliche Bier und die Bratwürste sowie die lebhafte und herzliche Atmosphäre des informellen Austauschs.
Am 21. September letzten Jahres wurde ich zur Feier des 30-jährigen Bestehens der DAAD-Außenstelle in Peking eingeladen, die im deutschen Restaurant „Villa Castanea“ stattfand. Die Veranstaltung wurde gemeinsam vom DAAD und der Deutsch-Österreichischen Abteilung der WRSA organisiert. Sowohl die Grußworte zur Eröffnung als auch die Gestaltung und der Ablauf der Veranstaltung spiegelten die enge Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland wider und fanden bei allen anwesenden Alumni, die die Geschichte des akademischen Austauschs zwischen Deutschland und China hautnah miterlebt haben, großen Anklang. Ich erinnerte mich an die Initiative „Deutschland und China — Gemeinsam in Bewegung“, an der ich in der Blütezeit der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit teilgenommen hatte, und musste feststellen: Die Zeit vergeht schnell, „Herausforderung“ ist zum neuen Kernbegriff der akademischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China geworden, unverändert geblieben ist jedoch die den Alumni vertraute Verschmelzung der chinesischen und deutschen Ästhetik – die Feierlichkeiten wurden von einem Chor und klassischer Musik begleitet, was mich an die Eröffnungsfeier des IGCs (International Geographical Congress) im Jahr 2012 in Köln erinnerte. Das bei der Feier angebotene authentische deutsche Bier und das Buffet ließen bei allen Alumni sofort Erinnerungen an Deutschland wach werden.

Prof. Meng auf der 30. Jubiläumsfeier der DAAD Außenstelle Peking© DAAD

Klassische Musikaufführung bei der Eröffnungsfeier des IGCs (International Geographical Congress), 2012 in Köln© DAAD
Welche Ratschläge würden Sie aktuellen DAAD-Stipendiaten geben, um das Beste aus ihrer Zeit im Ausland zu machen?
Wählen Sie als Erstes Ihr Forschungsthema gezielt aus – mit besonderem Fokus auf exzellente Forschungsergebnisse im jeweiligen Fachgebiet Deutschlands. Nutzen Sie die wertvolle Chance, Deutschland durch einen Forschungsaufenthalt vor Ort unmittelbar zu studieren.
Zweitens sollten Natur- wie Geisteswissenschaftler über ihre Lehrräume und Labore hinausgehen. Integrieren Sie sich aktiv in die deutsche Gesellschaft, bemühen Sie sich um Kontakte mit deutschen Fachkollegen sowie Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft. Dies fördert das gegenseitige Verständnis unter Forschenden, verbessert Ihre Sprachkompetenz, vertieft Ihr Deutschland-Verständnis und erweitert Ihre globale Erfahrung sowie interkulturelle Kompetenz.
Drittens muss man eine internationale Perspektive und Erfahrung haben, um die Theorien, Strategien und Forschungsmethoden zum globalen Klimawandel, den Veränderungen in der Weltwirtschaft und den internationalen geopolitischen Herausforderungen zu verstehen und darauf reagieren zu können.
Was für eine Rolle hat die DAAD-Förderung für Sie in Ihrem Forschungsfeld gespielt? Können Sie uns dies anhand von ein paar Beispielen konkret erläutern?
Der DAAD bietet nicht nur für den deutsch-chinesischen Austausch, sondern auch für die Vernetzung chinesischer Alumni eine einzigartige Plattform und wertvolle Chancen. Beispielsweise haben die vom DAAD in China organisierten akademischen Veranstaltungen dazu beigetragen, dass sich chinesische Wissenschaftler, die in Deutschland studiert haben, insbesondere unter KollegInnen im gleichen Bereich, kennenlernen und enge Beziehungen aufbauen konnten. Dadurch entstehen intensive Arbeitsbeziehungen bei Forschungsanträgen, Begutachtungsverfahren und wissenschaftlichen Publikationen. Persönlich habe ich durch DAAD-Aktivitäten produktive Forschungskooperationen mit Deutschland-Alumni des Instituts für Geographische Wissenschaften und Naturressourcenforschung (IGSNRR) der Chinesischen Akademie der Wissenschaften sowie Alumni der East China Normal University aufgebaut.
Was wünschen Sie dem 100-Jährigen DAAD für die kommende Zukunft?
Der DAAD sollte weiterhin selbstbewusst auftreten, sich nicht von den sich ständig verändernden nationalen und internationalen Rahmenbedingungen einschüchtern lassen, sondern noch offener werden und weiterhin angemessene Investitionen tätigen, um die Position Deutschlands als Zentrum für Wissenschaft, Innovation und Wirtschaft weiter zu stärken und gleichzeitig gemeinsame Lösungen für globale Herausforderungen zu finden.









