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Eine Kultur der Vielfalt fördern

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Der DAAD betrachtet Diversität, Chancengerechtigkeit und Inklusion als elementare Bausteine einer zukunftsfähigen Hochschulbildung und Forschung. Zum Auftakt einer Artikelserie geht DAAD Aktuell den verschiedenen Begrifflichkeiten auf den Grund und fragt, wie divers die internationale Hochschulbildung gegenwärtig ist.

Mit der „Agenda 2030“ hat sich die Weltgemeinschaft 17 Ziele (Sustainable Development Goals, SDGs) für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung gesetzt. Die SDGs richten sich gleichermaßen an Staaten, Zivilgesellschaften, Wirtschaft, Wissenschaft sowie jede und jeden Einzelnen. Zu ihrer Erreichung wird das handlungsleitende Prinzip „Leave No One Behind“ vorausgesetzt, wonach Ungleichheiten reduziert und Diskriminierung abgebaut werden sollen sowie alle Mitglieder einer Gesellschaft integriert und beteiligt werden.

Auch der DAAD fühlt sich der Agenda 2030 verpflichtet und hat die Anerkennung und Förderung von Chancengerechtigkeit als zentrales Handlungsfeld in seine Strategie aufgenommen. „Schon heute trägt der DAAD dazu bei, dass Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen ihre vielfältigen Perspektiven in Hochschulbildung und Forschung einbringen können – in Deutschland und weltweit. Gleichwohl wollen wir die Zugänge zur internationalen Studierendenmobilität und zum akademischen Austausch noch gerechter organisieren“, sagt Dr. Kai Sicks, Generalsekretär des DAAD.

Begriffe und Zusammenhänge

Doch was ist mit Diversität, Chancengerechtigkeit und Inklusion genau gemeint? „Der Begriff Diversität hat sich in den vergangenen 20 Jahren durchgesetzt als ein sehr allgemeiner und weit gefasster Begriff für die soziokulturelle Vielfalt von Menschen in Bezug auf verschiedene Merkmale wie zum Beispiel das Alter, das Geschlecht, die Hautfarbe, die soziale Herkunft, ethnische Zugehörigkeit und körperliche Beeinträchtigungen. Chancengerechtigkeit beschreibt die Ermöglichung gerechter Chancen für die gesamte Vielfalt der Menschen. Und unter Inklusion versteht man im weiteren Wortsinn jede Form von Integration von Individuen in soziale Zusammenhänge“, erklärt Prof. Dr. David Kaldewey. Der Soziologe hat an der Universität Bonn eine Professur für Wissenschaftsforschung und Politik inne. Zudem ist er Geschäftsführender Direktor des „Forum Internationale Wissenschaft“ an der Universität Bonn und Co-Sprecher des Rhine Ruhr Center for Science Communication Research. Beim Themenkomplex Diversität gehe es – ganz allgemein gesprochen – um Unterschiede zwischen Menschen und den Umgang damit.

Der Soziologe Prof. Dr. David Kaldewey lehrt Wissenschaftsforschung und Politik an der Universität Bonn.© Andreas Sieß

Demnach stellt Inklusion gewissermaßen das angestrebte Ziel dar und die Chancengerechtigkeit den Weg dorthin. Diversität kann schließlich als Indikator dafür dienen, ob das Ziel erreicht ist oder ob Hürden für die Teilhabe bestimmter Gruppen existieren.

Diversität leben durch Internationalisierung

Die Internationalisierung von Hochschulbildung und Forschung ist ein wichtiges Instrument, um Diversität und Inklusion zu stärken. Internationaler Austausch – sei es auf der Ebene individueller Auslandsaufenthalte oder hochschulischer Kooperationen — führt zu interkulturellen Erfahrungen, die entscheidend zur Wertschätzung von Vielfalt beitragen. Darüber hinaus ermöglicht er den Blick auf vielfältige Perspektiven und Expertisen, die die Entwicklung neuer Konzepte und Ansätze in Lehre und Forschung begünstigen. So kann beispielsweise eine Nachwuchswissenschaftlerin mit Sehbeeinträchtigung durch einen Forschungsaufenthalt in Deutschland Impulse zur Steigerung der Barrierefreiheit in ihrem Heimatland erhalten oder auf berufliche Entwicklungshürden in Deutschland hinweisen. Im Rahmen von Hochschulkooperationen hingegen lassen sich gemeinsam diversitätssensible Lehr-Lern-Kulturen entwickeln oder Friedensprozesse durch die Einbindung marginalisierter Gruppen in die Friedens- und Konfliktforschung unterstützen.

Die Zusammenführung von Internationalisierung und Diversität in einer Handlungsebene eignet sich daher, einen Beitrag zur Steigerung der Repräsentanz und sozialen Teilhabe von benachteiligten Gruppen zu leisten – ein Ziel, das auch von der Bundesregierung unter dem Stichwort „Feministische Außenpolitik“ im Koalitionsvertrag verankert wurde. Ausgangspunkt dabei ist ein breiteres Verständnis von Feminismus, in dessen Zentrum das Hinterfragen und Aufbrechen von Machtstrukturen und diskriminierenden Normen steht, um strukturelle Benachteiligung aller marginalisierten Gruppen abzubauen. „Dahinter steckt der Anspruch, Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse inklusiver zu machen und so eine gleichberechtigte Teilhabe aller zu ermöglichen. Ein Anspruch, den der DAAD bereits an unterschiedlichen Stellen in seinem Förderhandeln verankert“, sagt Caroline Felske, Leiterin des Teams „Nachhaltige Entwicklung” im DAAD.

Caroline Felske leitet das Team „Nachhaltige Entwicklung“ im DAAD.© DAAD

Hürden auf dem Weg ins Ausland

Doch Diversität und Internationalisierung sind keine Selbstläufer. Es ist bekannt, dass sich das internationale Mobilitätsverhalten von Studierenden, Lehrenden und Forschenden je nach persönlichem Kontext voneinander unterscheidet. Nach wie vor scheinen Merkmale wie Geschlecht, Bildungsherkunft, sozioökonomischer Hintergrund, familiäre Pflichten sowie körperliche oder psychische Beeinträchtigungen darüber mitzuentscheiden, ob eine Person internationale Erfahrungen sammelt oder nicht. „Und dies bei einer Gruppe“, so Dr. Jan Kercher, Experte für Studien und Statistiken im DAAD, „die bereits beim Eintritt ins Studium erheblich weniger divers ausfällt – etwa, weil studienberechtigte Personen aus Akademikerfamilien mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit studieren als studienberechtigte Personen aus Nicht-Akademikerfamilien. Es findet zwischen Schulabschluss und Auslandsaufenthalt also eine Art zweistufige Selektion statt.“ Ein ähnliches Muster lasse sich auch für andere Diversitätsindikatoren feststellen.

Ob Studierende oder Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler einen Auslandsaufenthalt für sich in Betracht ziehen und ein entsprechendes Vorhaben auch in die Tat umsetzen können, hängt von vielen Faktoren ab. Menschen, denen es im eigenen Umfeld an Beispielen mangelt, mit denen sie sich identifizieren können, benötigen zum Beispiel eine ermutigende Ansprache und fallspezifische Beratung. Doch selbst wenn das Interesse an einem Auslandsaufenthalt geweckt ist, können weitere Hürden den Weg an die Wunschhochschule erschweren, weil zum Beispiel finanzielle Mittel knapp sind, Orientierung im Bewerbungsprozess fehlt, Infrastrukturen am Zielort nicht ausreichend barrierefrei sind oder es an sozialen Unterstützungsangeboten mangelt.

Maßnahmen zur Stärkung der Diversitätsorientierung

Um für mehr Diversität in seinem Förderhandeln zu sorgen, hat der DAAD eine Diversitätsagenda aufgestellt. Diese definiert wesentliche Ziele und Maßnahmen, um vor allem diejenigen Diversitätsmerkmale zu berücksichtigen, die für die Teilhabe an internationaler akademischer Mobilität besonders relevant sind. In den vergangenen Jahren ist schon viel passiert. Beispielsweise besteht für Studierende mit Einschränkungen die Möglichkeit der Finanzierung von Zusatzkosten im Rahmen eines Auslandsaufenthalts. Die diversitätssensible Weiterentwicklung wird jedoch nicht nur als eine gesellschaftliche Verpflichtung und Ressourcenfrage wahrgenommen, sondern als ein Gewinn für alle, wie es DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks ausdrückt: „Chancengerechtigkeit und Vielfalt sind nichts weniger als Qualitätsgaranten: Bei der Förderung zukünftiger Fach- und Führungskräfte wollen wir den Talentpool voll ausschöpfen und Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft an unseren Angeboten und Förderungen teilhaben lassen.“ Weil dies im Dialog mit Hochschulen, Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geschehen soll, ist für Anfang 2023 eine Tagung geplant, um Barrieren zu identifizieren und Lösungsansätze zu entwickeln.

 

Sabine Moser (28. November 2022)

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